Das Ratsarchiv bekam eine Schatzkiste
Der Nachlass des letzten Görlitzer Messerschmiedemeisters, Fritz Lattka, wird jetzt im Archiv am Untermarkt fachkundig bewahrt.
12.09.2016 Von Ratsarchivar Siegfried Hoche
Die alte Innungslade der Görlitzer Messerschmiedezunft ist jetzt ein besonders wertvolles Stück im Ratsarchiv Görlitz. Foto: Siegfried Hoche
In der September-Veranstaltung der „Schätze des Ratsarchivs“ kann nicht nur ein Schatz, sondern sogar die dazugehörige Schatztruhe präsentiert werden. Zudem wird es im wahrsten Sinn des Wortes „messerscharf“. Denn es handelt sich um eine Innungslade, und in der befand sich tatsächlich der schriftliche Nachlass des letzten Görlitzer Messerschmiedemeisters, des nun leider verstorbenen Fritz Lattka.
Von 1952 bis 2007 führte er das Geschäft, die Schleiferei und die Messerschmiede. Wohl jeder Görlitzer kannte den Laden. Bereits sein Großvater Anton Lattka hatte im Juni 1907 die Messerschmiede auf der Weberstraße 8 erworben. Allerdings befand sich schon damals dieses traditionsreiche Handwerk im Niedergang. Nur die Meister Hugo Bundschuh (Neißstraße 8) und Richard Kügler (Langenstraße 36) fertigten neben ihm verhältnismäßig teure, aber absolut hochwertige Messer.
Das Schleifereigeschäft wurde immer bedeutsamer für deren Existenz. Denn Messer aller Art wurden seit dem 19. Jahrhundert zunehmend industriell und eben sehr viel preiswerter gefertigt. Im Mittelalter hatten sich die „Messerer“ aus dem Eisenschmiedehandwerk spezialisiert. Sie fertigten im Gegensatz zu den Klingen- oder Waffenschmieden einschneidige Hieb- und Stichwaffen, Messer aller Art, besonders aber Dolche, Hau- und Waidmesser. „Das Messer sei länger als der Tegen (Dolch) und kürzer als das Schwert“, heißt es in Thalhofers Fechtbuch.Frühe Zentren dieses Handwerks lagen in Nürnberg, Regensburg, Solingen und Steyr. Der erste nachweisbare Görlitzer Messerschmied ist ein Mann namens Noldener, der 1420 das Görlitzer Bürgerrecht erwarb. Die hiesigen Messerschmiede produzierten wohl wesentlich für den regionalen Markt. Denn im gesamten 17. Jahrhundert erwarben lediglich neun Messerschmiede das Bürgerrecht. Eine eigenständige Innung der Messerschmiede ist erst seit dem Jahr 1563 nachweisbar. Aus den überlieferten Innungsartikeln wird ersichtlich, wie lange es dauerte, um dieses komplizierte Handwerk zu erlernen und das Meisterrecht zu erwerben. Nach der Lehrzeit musste der Geselle wenigstens ein Jahr lang wandern und zwei Jahre bei einem Görlitzer Meister in der Werkstatt arbeiten. Dann sollten drei „Scheidenmesser“ sowie insgesamt 100 „Deutsche, Rheinische und Fusklingen“ als Meisterstücke vorgelegt werden. Wenige Jahre später erbat der Görlitzer Rat von der Stadt Dresden deren Handwerksordnung. Aus jener wird sehr deutlich ersichtlich, dass die Messerschleifer der Residenzstadt schon bei den Meisterstücken ein weitaus höheres handwerkliches Geschick nachzuweisen hatten. Denn sie fertigten besonders kunstvolle Stücke für kurfürstlichen Hof und den repräsentationshungrigen Adel, und 1730 kam es in der Görlitzer Zunft zu heftigen Streitigkeiten zwischen den nunmehr spezialisierten Messerschmieden und Schleifern. Die Ursachen lagen wohl wesentlich in persönlichen Animositäten, die aus übertriebenem Stolz und Eitelkeit resultierten und zur Trennung der beiden Gewerke führten. Immerhin erfahren wir aus der Akte, dass der Zunft lediglich elf Meister angehörten. Ihr politisches Gewicht war in der Stadt wohl deshalb sehr gering. So findet man ab 1849 die vereinigte Innung der Schleifer, Messer- und Zeugschmiede. Die Zeugschmiede produzierten Bohrer, Sägen, Zangen und Ähnliches.Fritz Lattka war übrigens von 1957 bis 1975 Obermeister der Innung der Messerschmiede und Instrumentenschleifer des Bezirkes Dresden. Als er sich kritisch über die Handwerkspolitik der DDR, besonders die Preisbildung äußerte, wurde er durch die Handwerkskammer dieses Amtes enthoben. Aber Schmiede waren immer schon stolze, ehrliche, oft auch politisch für die Obrigkeit unbequeme Männer. Dank sei an dieser Stelle seiner Familie gesagt, die diese überaus wertvollen Zeugnisse seines Schaffens und dieses alten Handwerks dem Ratsarchiv Görlitz übergaben.